Drei Fragen – drei Werke: Helmut J. Kleinwechter

Kunstwerk Ausschnitt im HG
December 30, 2025

Drei Künstler. Drei Fragen. Drei Werke.

Für den letzten Post des Jahres 2025 wollte ich mir etwas Besonderes überlegen – und ich freue mich sehr, dass sich diese drei sehr unterschiedlichen Künstlerinnen und Künstler trotz der Hektik der Vorweihnachtszeit Zeit genommen haben, um ihre Gedanken mit mir zu teilen.

Ingrid Margarethe Engelmann | Katrin Mates | Helmut J. Kleinwechter

Diese Einblicke in die Gedankenwelt der drei Kunstschaffenden und ihre persönliche Reflexion des Jahres 2025 ergeben für mich einen schönen Jahresabschluss: drei einfache, offene Fragen – ein persönlicher Rückblick, ein Blick auf ausgewählte Arbeiten und ein Gedanke, der die jeweilige künstlerische Haltung sichtbar macht.

Drei Fragen. Drei Werke. Drei individuelle Positionen.
Ein Moment des Innehaltens – und ein Blick auf das, was uns bewegt.‍

Teil 3: Helmut J. Kleinwechter

Helmut J. Kleinwechter lernte ich 2021 in der Schlei-Akademie in Kappeln kennen. Dort habe ich mir direkt zwei seiner Holz- und Linolschnitte gekauft. Besonders angetan hat es mir ein Werk, das in Kombination mit Siebdruck entstanden ist – dieses Bild hängt inzwischen in meinem Büro, und ich freue mich jeden Tag darüber.

„Roter Strand“ in meinem Büro :)

Geboren in Bremen und heute in Kiel lebend und arbeitend, widmet er sich intensiv dem Holz- und Linolschnitt, den er nach autodidaktischen Anfängen bei Christina Cohen-Cossen erlernte. Seit 2019 ist er regelmäßig auf norddeutschen Kunstmessen vertreten und zeigt seine Arbeiten in Einzel- und Gruppenausstellungen, zuletzt auch international.

1.) Gab es 2025 einen künstlerischen Augenblick, der dir besonders in Erinnerung geblieben ist?

Helmut J. Kleinwechter: »Als Holzschneider bin ich ständig an der Technik und Arbeitsweise anderer Künstler interessiert. Im Februar dieses Jahres besuchte ich in der Kunsthalle Bremen die Ausstellung „Kirchner Holzschnitte“. Die Holzschnitte von Ernst Ludwig Kirchner wurden begleitet von drei zeitgenössischen Künstlern: Benjamin Badock, Gabriela Jolowicz und Thoma Kilpper. Thomas Kilpper bleibt mir unvergeßlich. Ich fand mich wieder in einem Raum mit einem 100 m² großen, begehbaren Druckstockboden. Thomas Kilpper hat Schichtholzplatten von ca. 1,50 m Kantenlänge mit klassischen Schneidwerkzeugen und mit der Kettensäge bearbeitet. Die großflächigen Abzüge hat er an die Wand und an die Decke gehängt, alles sehr politisch geprägte Motive. Ein kurzer Film gab weiteren Einlick in seine Arbeit. Sein Motto (frei nach René Descartes): „Ich drucke, also bin ich.“ Zu erwähnen ist auch der begleitende Katalog aus dem Leipziger Lubok-Verlag, unter anderem mit einem Kirchner–Portrait von Florian Illies. Der Katalog ist von der Ausstattung und den Texten das Beste, was ich seit Jahren in den Händen hielt.«

2.) Welche drei Arbeiten liegen dir 2025 am nächsten – und weshalb?

Helmut J. Kleinwechter: »Im vergangenen Jahr hat mich besonders beschäftigt, mit weiblichen Figuren und dezent gehaltenen Farben Stimmungen zu erzeugen.«

Werk 1: In „Taxi“ sieht man eine Frau in Sommerkleidung auf dem Rücksitz des Taxis, sie schaut uns an. Wo befindet sie sich? Weshalb nimmt sie ein Taxi? Woher kommt sie? Hat sie Gepäck? Wo will sie hin? Alles Fragen, die für die Betrachter offen sind.

Linolschnitt: Frau in Sommerkleidung auf dem Rücksitz des Taxis
„Taxi“


Werk 2:
In „Frau am Fenster“ habe ich das klassische Rückenprofil (Repoussoir) verwendet, um den Betrachtern Identifikation zu ermöglichen und in das Bild hineinzuziehen. Vom Gesicht ist nichts zu sehen. Ja, ich gebe zu, Caspar David Friedrich war der Meister dieser Technik. Die Frau steht an einem Fenster mit halb geöffneter Jalousie, Licht und Schatten fallen ein - eine große Herausforderung für die Holzschnittbearbeitung, aus diesen Streifen den Rücken zu modellieren. Wo schaut die Frau hin? Was beschäftigt sie in diesem Moment? Warum steht sie am Fenster? Was wird sie als nächstes machen?

Linolschnitt: Rückenprofil einer Frau, Druck in Beige-Grün
„Frau am Fenster“


Werk 3:
In „Stilles Wasser“ sehen die Betrachter einen Frauenkopf fast abgetaucht im Wasser. Die Frau hört nichts, außer der Stille des Wassers. Sie hat die Augen geschlossen. Sie sieht ihre inneren Bilder. Ermutigt sie uns, unsere eigenen inneren Bilder, unsere Erinnerungen auf uns wirken zu lassen? Können wir uns in einem anderen Element für eine Weile von den Zwängen des Alltags lösen?

„Stilles Wasser“


3.) Welche Frage begleitet dich derzeit in deiner künstlerischen Arbeit?Helmut J. Kleinwechter:

Helmut J. Kleinwechter: »Manchmal frage ich mich: Habe ich einen eigenen Stil, eine eigene Bildsprache? Können bestimmte Elemente meiner Kunst von Betrachtern immer wieder erkannt werden? Menschen in meinem Umfeld und meine Holzschneíde-Lehrerin sagen mir: Vergiss die Frage! Hab weiter Freude daran, Porträts, Stillleben, Landschaften oder abstrakte Motive zu gestalten, neue Techniken auszuprobieren, z.B. die Kombination von Holzschnitt mit Siebdruck oder Foliendruck. Mein Impuls ist, mit meiner körperlichen Kraft in Holz zu schneiden, um ein Motiv zu entwickeln und zu vollenden. In jedem Bild erkenne ich mich selbst. Das macht mich glücklich.«


Vielen Dank, lieber Helmut! Ich freue mich schon darauf, deine Werke wieder persönlich auf einer Ausstellung zu sehen.